Wendouree, ein unbekanntes Juwel

Das nächste Ziel unserer Reise war das Weingut Wendouree in nörlich von Adelaide gelegenen Clare Valley.

Das Weinbaugebiet Clare Valley liegt etwa 100 km nördlich von Adelaide, auf einer Fläche von gut 5’000 ha wird vor allem Riesling angebaut, daneben auch Shiraz und Cabernet sauvignon. Die Weinberge liegen auf einer Höhe von 400-500 müM. Damit ist das Klima deutlich kühler als in anderen Südaustralischen Weinbaugegenden. Vor allem kühlt es nachts sehr viel mehr ab als z.B. im Barossa Valley. Das Gebiet, in welchen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts Weinbau betrieben wird, gilt heute als wichtigstes Anbaugebiet für Riesling in Australien, doch dazu später mehr.

Ich hatte schon von Wendouree gehört, aber eigentlich nicht geplant das Gut zu besuchen. Ursprünglich stand das Grosset auf dem Programm, aber leider hat das nicht geklappt. Nun wie kam ich zu Wendouree? Meine Tochter wollte sich neue Wanderschuhe kaufen, dazu sind wir in Adelaide in einen Outdoor-Shop. Beim Anprobieren diverser Modelle kam irgendwann die Frage auf, was wir in nächster Zeit planen würden. Da meine Tochter erwähnte, dass unser nächstes Ziel das Clare Valley sei, meinte der Verkäufer: „Dann müsst ihr unbedingt das Weingut Wendouree besuchen. Der Besitzer, Tony Brady, sein ein Kunde und sehr nett“. Schon hatte wir Adresse und Telefonnummer. Ein Anruf genügte und wir hatten erstaunlicherweise einen Besuchstermin am nächsten Tag.

Nachträglich habe ich mich ins Bild gesetzt und nicht schlecht gestaunt, wo wir da gelandet waren. Das Gut und seine Weine gelten als absolute Ikonen des Australischen Weins. Alle, welche die Weine probiert haben, sind des Lobes voll. Weine von Wendouree zu erwerben hingegen ist sehr schwierig, man muss auf den Sekundärmarkt oder Auktionen ausweichen, da die Weine ab Gut anhand einer Kundenliste zugeteilt werden. Auch James Halliday, der berühmte australische Weinjournalist, muss die Weine kaufen, um sie beschreiben und bewerten zu können.

Das Gut ist so unscheinbar, dass wir zuerst daran vorbeigefahren sind. Nach einer herzlichen Begrüssung hat uns Tony Brady gefragt, ob wir, es war früher Nachmittag, nicht mit einem Kaffe beginnen möchten. Gesagt getan, beginnt er den Kaffee von Hand mit einer alten Mühle zu mahlen, kocht Wasser und bereitet einen Kaffee ganz nach altmodischer Art zu. Bei der anschliessenden Besichtigung der Kellerei wird schnell klar, dass es hier gemächlich zu und her geht und dass die Technik nur eine Nebenrolle spielt.

 

Wendouree

Das Weingut Wendouree wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts angelegt, 1893 wurden ein Rebberg mit Shiraz und einer mit Cabernet Sauvignon angepflanzt, 1898 ein Rebberg mit Malbec. 1911 und 1919 wurden weitere Shiraz-Rebberge angelegt. Alle diese Rebberge stehen immer noch im Ertrag. Diese Rebberge sind damals ganz offensichtlich an absolut herausragenden Stellen angelegt worden. Das Weingut ist mit etwa 10 ha Reben klein geblieben. Jedes Jahr werden von 6 verschiedenen Weinen insgesamt etwa 30‘000 Flaschen erzeugt.

Der Vorgänger des jetzigen Besitzers und winemakers Tony Brady war während 60 Jahren Rory Bourke. Er hatte als 17-Jähriger mit der Weinbereitung begonnen und blieb am Werk ohne je eine Ausbildung absolviert zu haben, er hatte die Weine ganz nach Bauchgefühl erzeugt. Tony Brady hat auch keine Weinausbildung, aber er konnte während einigen Jahren vom Knowhow von Bourke profitieren.

Das Weingut ist der Tradition verhaftet, Brady ist der festen Überzeugung, dass Sachen die sich bewährt haben nicht geändert werden sollen. Im Keller soll so wenig wie nötig eingegriffen werden. Es scheint auf dem Gut in den letzten 100 Jahren auch sehr wenig verändert worden zu sein. Die erste Ernte des 1893 angelegten Shiraz-Rebberges waren 4 Hogsheads, dies entspricht etwa 1’000 l, soviel sind es auch heute noch. Die Weine werden von Hand geerntet und in offenen Fermentern mit täglichem Unterstossen des Tresterhutes bei Temperaturen von maximal 36°C vergoren. Abgepresst wird mit einer fahrbaren Basket Press, welche von Tank zu Tank bewegt werden kann. „Das sollte wieder 100 Jahre halten“, so der Kommentar von Tony Brady zu den neu verlegten Schienen für die Presse. Die Weine werden während 12 Monaten in zu einem Viertel neuen Fässern aus französicher Eiche ausgebaut. Nachgefüllt werden die Fässer mit Weinen aus älteren Jahrgängen aus Flaschen, da Tony Brady der Meinung ist, dass Weine in Tanks zu schnell oxidieren, als dass sie zum Auffüllen der Fässer verwendet werden könnten.

Tony Brady ist der festen Überzeugung, dass die Gegend in welcher die Trauben wachsen den Wein prägt und nicht der winemaker. Im Clare Valley herrschen in etwa die gleichen klimatischen Bedingungen wie in der Provence, dementsprechend sollten die Weine nach Brady auch eine entsprechende Aromenausprägung haben und auch die Sorten, welche schon damals angepflanzt wurden, entsprechen dem Klimaprofil.

Tony Brady vertritt die Ansicht, dass Jahrgangs- und Lagenunterscheide mit zunehmender Reife der Trauben und damit zunehmendem Alkoholgehalt des Weines verschwinden. Deshalb wird auf Wendouree relativ früh geerntet. Er möchte keinen Wein aus schon „gestorbenen“ Trauben machen.

Heute werden alle Weine mit Drehverschluss abgefüllt, da in früheren Jahren 6-8% der Weine Korkfehler aufwiesen, das war Tony Brady deutlich zu viel.

Wir konnten nur zwei Weine degustieren,  eigentlich war der Jahrgang 2010 vorgesehen, aber dazu hätte Brady den Gabelstapler benötigt, um an den Wein zu gelangen, daher wurde der Jahrgang 2009 degustiert, der lag zuoberst.

 

Wendouree Clare Valley Shiraz 2009

Die Trauben stammen von den Rebbergen, welche 1893, 1911 und 1919 angelegt wurden.

Im Bouquet ganz leicht animalische Anklänge, würzige Noten, eine tiefe noble Eleganz ausstrahlend, am Gaumen schlank und säurebetont, schöne Fruchtnoten, auch würzige Untertöne, mineralisch, präsente, sehr elegante Tannine, sehr langer harmonischer Abgang, noch verhalten. 17.5/20 mit Potential für mehr  2015 – 2029

 

Wendouree Clare Valley Shiraz 1990

1990 war laut Tony Brady qualitativ im Clare Valley ein eher mittelmässiges Jahr.

Der Wein zeigt ein mittleres Rot mit einem leichten Orangerand, würzige, balsamische Noten, Konfekt, Bienenwachs, Dörrzwetschgen, Tabak, erste Reifetöne, eleganter, schlanker Antrunk, komplexe gereifte Aromen, etwas Tabak und Pilznoten, der Wein zeigt sich frisch und vibrierend, noch präsente Gerbstoffe, langer, komplexer Abgang, jetzt reif hält aber noch lange. 19/20 trinken – 2020

 

Freundlicherweise durften wir die geöffneten Flaschen mitnehmen. Wir haben sie am Abend mit Hochgenuss getrunken. Manuel Gomes, welcher mit uns auf dem Gut war, wollte ein paar Weine kaufen. Tony Brady musste ihn enttäuschen, es werden keine Weine verkauft, aber er hat ihm eine Flasche Malbec 1995 geschenkt. Mein Kommentar dazu war: „Oh, Malbec, da gibt es in Argentinien ein paar ganz gute“, Tony Brady meinte nur: „Da müssen sie aber einen sehr guten Argentinier suchen, der mit diesem Wein mithalten kann“. Der Wein war grossartig, wie mir Manuel später versichert hat.